Von Brotlaiben und Bäckerseelen.

Brot, eigentlich ein Grundnahrungsmittel, erlebt in den letzten Jahren eine Art Wiederentdeckung. Nachdem es lange Zeit einfach eine essbare Unterlage für Wurst, Käse und Marmelade war, wird Brotgenuss heutzutage regelrecht zelebriert. Auch das Handwerk des Bäckers gewinnt wieder an Ansehen und Attraktivität.

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Entweder man hat das im Blut, oder man hat's nicht im Blut. Bäcker ist ein Beruf, der auch ein Stück Berufung ist“, sagt Michael Wittmaack. Der Produktionsleiter in der Berliner Bio-Bäckerei Beumer und Lutum spricht aus Erfahrung. Er ist Bäckermeister mit ein paar Jahrzehnten Berufserfahrung. Und weiß: in jedem Leib Brot steckt auch die Seele des Bäckers: „Man will ein Produkt entwickeln, das ein anderer Mensch kauft und auch verzehrt und was dem auch schmeckt. Was denn anderen Menschen halt Freude macht, das glaube ich wirklich“.

Als Michael Wittmaack anfing, musste man noch 50-Kilo Mehlsäcke auf dem Rücken in die Backstube schleppen.

 


Heute bedient er computergesteuerte Sauerteig-Anlagen:  „Das ist jetzt hier ein Drei-Stufen-Sauer, der startet Abends um 20 Uhr 22 und ist fertig am nächsten Tag um 11:40 Uhr“.

Das, was früher gute fünf Tage dauerte, klappt heute über Nacht. Konstante Wärme braucht ein guter Sauerteig. Ansonsten Wasser und am besten Roggenmehl. Bei Weizen greifen Bäcker lieber zu Treibmitteln wie Hefe oder Hefeersatz, was mitunter ziemlich unappetitlich anmuten kann: In den industriellen Treibmitteln stecken Enzyme aus der Bauchspeicheldüse von Schlachttieren oder Aminosäuren aus dem Menschenhaar. Bei Beumer und Lutum verzichtet man darauf. Der Trend gehe zurück zur ursprünglichen Produktion und kurzen Lieferwegen, sagt Michel Wittmaack. Eine Entscheidung, die auch den Betrieb prägt: gleich zwei alte Maschinen, die offensichtlich noch den Brotgeschmack aus den 50-ern kennen, arbeiten auf Hochtouren: „Die Maschine teilt in 30 Stücke und wirkt die Teiglinge rund. Weil in unseren Produkte keinerlei Backmittel verwenden, sind nicht alle Maschinen für uns geeignet – wir müssen damit leben, was uns der Müller liefert und wir wollen die Teige nicht den Maschinen anpassen, sondern wir arbeiten mit den Maschinen, die unsere Teige verarbeiten können“.

Der Rest sind Erfahrungswerte: 80 Prozent der Aromastoffe stecken in der richtigen Kruste und die Krume, das Brotinnere, sei die Sache des Bäckermeisters: „ Es ist einfach ein Feeling, das muss man im Blut haben. Also man muss sich damit beschäftigen, wo kommt das Getreide her, was will ich eigentlich damit bewirken, dass ich Brot backe, Brot ist ja auch ein Grundlebensmittel, das die Menschheit von Anfang an begleitet hat“.

Und in Deutschland ja sowieso – über 300 Brotsorten und gut 12 000 Gebäcke gibt es zwischen Konstanz und Kiel. Die Brotsortenvielfalt ist nicht nur der deutschen Kleinstaatlichkeit zu verdanken, wo jahrhundertelang jeder nach seiner Façon backte. Getreide fast aller Sorten gedeiht nun mal gut hierzulande. Mit der wachsenden Industrialisierung, meint Michael Wittmaack, kam noch ein Aspekt dazu: „Nach dem Krieg wurde das Brot kein Grundnahrungsmittel mehr. Der Endverbraucher hat sich verändert, er wollte dann immer volle Regale, eine Riesenauswahl, und das hat auch so dafür gesorgt, dass die Bäcker immer sich neue Sachen haben einfallen lassen müssen. Und das hat sich halt vermischt und dadurch hat sich halt diese Brotvielfalt entwickelt“.

Und sie wächst weiter. Als Chia in aller Munde war, mischte man auch bei Beumer und Lutum die mexikanischen Samen dem Teig bei: „Man muss nicht auf jeden Zug aufspringen, aber bestimmte Trends gehen wir auch mit. Vegan ist ein ganz großes Thema. Bestimmte Brotsorten, das machen wir jetzt nicht, es gab so ein Popcorn-Brot, was auch kurz ein Trend war, haben wir nicht gemacht, man kann einfach nicht alles machen, es muss auch passen.“

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Das Team bei Beumer und Lutum ist recht international. Sogar ein Franzose sei dabei, der die Brot-Backkunst jenseits von Baguette kennenlernen will. Das man davon vom Brotbacken fasziniert sein kann, versteht Michael Wittmaack nur zu gut.

Das ist jeden Tag eine neue Herausforderung für unsere Bäcker hier und ich finde es auch immer spannend, wie sie das hinbekommen, und dauernd ein gutes Brot am Ende herauszubekommen, das ist schon irre!“

Zum Radiobeitrag im Kulturradio vom RBB

Am 30. April 2017 kann man in der Markthalle IX BrotZeit.

Zitat Veranstalter: „Zusammen mit Die Freien Bäcker – Zeit für Verantwortung e.V. wollen wir von der Saatgutentwicklung bis zum Brot auf dem Tisch an verschiedensten Ständen und bei vielfältigen (Mitmach-)Aktionen – für Kinder und Erwachsene – mit allen Sinnen erfahrbar machen, was Bäckerhandwerk heute und in Zukunft bedeutet. Die BrotZeit möchte dazu anstiften, die Zukunft der Ernährung und der Lebensmittelherstellung – im wahrsten Sinne – in die eigenen Hände zu nehmen.“
 

Ort: Markthalle Neun, Eisenbahnstr. 42/43, 10997 Berlin-Kreuzberg