Eat! Berlin Das Feinschmeckerfestival hat inzwischen einen festen Platz unter all den Foodevents der Stadt. Während Berlin kulinarisch an seinem Ruf als Street-Food-Hauptstadt arbeitet, will eat! Berlin der Kunst der feinen Küche und der schöngeistigen Kulinarik frönen. Sterneköche geben sich die Klinke in die Hand.
Markus Herbicht, Marco Müller und Christoph Rainer in der Schmelzwerk-Küche.
Es gibt literarische und musikalische Beilagen, abenteuerliche Weinverkostungen und opulente Menüs zwischen 90 und 160 Euro pro Person. Das ist aber kein Grund, das Wasser im Munde enttäuscht wieder runterzuschlucken. Denn an drei Tagen des Festivals kann man lukullische Freuden gegen einen symbolischen Obolus genießen.
Die Veranstaltungsreihe Kreuzberg kocht! macht während des Eat! Festivals Haute Cuisine für jedermann erlebbar. Ein Grund, nachzufragen, was in Kreuzberg grundsätzlich so gekocht wird.
Der Spitzenkoch Markus Herbicht, der Chef der Schmelzwerks in den Sarotti-Höfen liest genüsslich die Speisekarte des Kreuzberg kocht! – Wochenendes vor: Rehboulette mit Blutwurststrudel, Wirsing und Preiselbeerjus, Königsberger Klopse vom Hecht mit Roter Bete, Kartoffelpüree und Meerrettich, dann geschmorte Schweinebacke mit Sellerie und Pflaume.
Zum zweiten Mal öffnet der Berliner Edelcaterer Herbicht während des Eat-Festivals seine Schmelzwerk-Räume für das kulinarische Marathon.
Fünfzehnhundert Menschen wurden hier vor einem Jahr an einem Wochenende von fünf namhaften Kreuzberger Köchen verköstigt. Markus Herbicht hat in Sternerestaurants von München bis Berlin Küchen geleitet. Hier in Kreuzberg, sagt er, gibt es eine besondere Essenskultur: Man kann nicht sagen, dass es einen Geschmack von Kreuzberg gibt. Das ist das offene an Kreuzberg. Es macht Spaß, in der Marheinekehalle so einen guten Fruchtshake zu trinken und dort habe ich letzte Woche einen guten Rehburger gegessen, bio. Und genauso kommen die Leute zu mir und essen Zander aus der Müritz. Die Gäste akzeptieren alles – solange es gut ist.
Die Vielfalt des kulinarischen Angebots in Kreuzberg beeindruckt Markus Herbicht schon sehr. Mehr als die kulinarischen Experimente von Neukölln oder das überschäumende Angebot an Delis, den kleinen Delikatessenläden in Mitte: Ich glaube nicht, dass sie die Vielfalt in Neukölln haben. Ich kenne kein Zwei-Sterne-Restauraunt, kein Ein-Stern-Restaurant in Neukölln. Und das ganze schnelle Berlin, was in Mitte herrscht, das ist in Kreuzberg doch gediegener. Mitte hat viel mehr Büros, daher wird dort das Schnelle mehr gelebt, wie hier in Kreuzberg. Mitte ist experimentierfreudiger als Kreuzberg. Ich glaube, was in Kreuzberg den Unterschied macht zu Mitte, es ist doch noch ein Stück von dem gewachsenen alten Berlin auch.
Und noch etwas macht Kreuzberg für den Profikoch und Promikoch Markus Herbicht einzigartig: Was ich glaube, dass wir hier ein besseres Preis-Leistungsverhältnis haben wie in Mitte.
Nicht nur Kreuzberg, ganz Berlin hat laut Markus Herbicht eine erstaunliche kulinarische Wandlung erlebt. Als der Koch 1994 zum ersten Mal nach Berlin kam, gab es gerade mal drei Strenerestaurants in der Stadt. Heute sind es 14 Ein-Sterne Lokale und sechs, die zwei Michelin-Sterne haben. Mittlerweile ist Berlin mit führend in der Welt an Gourmetrestraurants. Es gibt Gourmettouristen, die nach Berlin kommen… Es gibt alles – von der Currywurst bis zum Zwei-Sterne-Menü können sie alles haben in einer sehr guten Qualität. Der Berliner hat gelernt, wieder Qualität zu schätzen und zu genießen. Und das ist die Entwicklung über die letzten zwanzig Jahre, und gerade der Vorsprung der letzten drei- vier Jahre.
Markus Herbicht wagt eine Prognose, wohin die kulinarische Entwicklung Berlins gehen wird. Die Richtung überrascht – aber Berlin war ja schon immer für eine Überraschung gut: Ich glaube, es wird wieder sehr fleischlastig werden, obwohl jeder sagt, wir essen weniger Fleisch. Aber der Trend ist da, wir merken, dass unsere Kunden möchten US- Beef. Dry Age Beef. Es kommen Fragen nach gutem Schweinefleisch, nach Lammsorten hier aus der Region. Meine Philosophie ist eine Hauptstadtküche, die sehr stark regional geprägt ist, was schon immer der Trend war.
Markus Herbicht greift zum Beweis wieder zur kleinen Menükarte für das kommende Wochenende. Kreuzberg kocht beim Eat! Festival soll nämlich wieder einmal beweisen, wofür Berlin kulinarisch steht – für gute weltbürgerliche Küche: Vitello Tonnato auf moderne Art, Creme Catalan und ein gebrannter Ziegenfrischkäse mit Cassis-Feigen und ein Sugo vom Damhirsch mit Tannenhonig, Kartoffelorangen-Nocken und einen geriebenen Bergkäse.
Location: Schmelzwerk in den Sarotti-Höfen, Mehringdamm 55, 10961 Berlin
Freitag, 4.März 2016, 15 Uhr bis 23 Uhr
Samstag, 5.März 2016, 12 Uhr bis 23 Uhr
Sonntag, 6.März 2016, 12 Uhr bis 18 Uhr
Beteiligte Köche:
Herbert Beltle – Restaurant Altes Zollhaus
Pasquale Ciccarelli – Bar Centrale
Matthias Gleiß – Restaurant Volt
Hartmut Guy – Restaurant Riehmers
Markus Herbicht – Restaurant Schmelzwerk
Thomas Kurt – eta Hoffmann
Zum Beitrag auf Kulturradio vom Rundfunk Berlin Brandenburg