Was die Kunsthistorikerin Tanja-Bianca Schmidt sich von den deutschen Museen wünscht.
Tanja-Bianca Schmidt berät Berliner Museen in Sachen diskriminierungssensible Kunstvermittlung. Als Kulturmittlerin hat auch sie selbst einige schmerzhafte Erfahrungen gemacht. Von einem Vorfall während einer Ausstellungsrundgang kann die Kunstwissenschaftlerin bis heute nicht völlig ruhig erzählen.
Eine Person sagte: „Also ich finde jetzt gar nichts so schlimm daran, wenn Personen von anderen Kulturen ausgestellt werden“. Ich war wirklich fassungslos. Also sagte ich, ich bin eine Person mit Rassismuserfahrung und wollte ausführen, warum es nicht okay ist. Und da verdrehte diese Person die Augen. Dieser Vorfall liegt schon einige Zeit zurück. Tanja-Bianca Schmidt spricht damals während einer Führung über sogenannte Kolonialschauen. Wo schwarze Menschen dem europäischen Publikum als exotische Attraktion vorgeführt wurden.
Ich habe dann gesagt: „Stopp! Ich empfinde ihre Reaktion auf mich als rassistisch.“ Und dann deutet die Person an: „ah, jetzt kommt die Leier wieder“. Ich habe innerlich gekocht, und dann war es mir wichtig, die Ruhe zu bewahren, damit nicht dieser Angry-Black-Woman-Modus ansezt.
An die eigene Kraft glauben
Ich treffe Tanja-Bianca Schmidt bei ihr zu Hause in Pankow. Hinter ihrem Schreibtisch ist eine Pinnwand angebracht. Allerlei Notizen, nette Familienfotos und Sinnsprüche, die sie darin bestärken sollen, an die eigene Kraft zu glauben, sich aber zu schonen. Denn das, was Tanja-Bianca Schmidt tut, zehrt an ihr. Seit einigen Jahren arbeitet sie unter anderem als freischaffende Kunstvermittlerin. Sie wird von Museen als Beraterin herangezogen, wenn es um rassismuskritische Aspekte von Ausstellungen geht. Etwa bei der neuen Schau des Ethnologischen Museums im Berliner Humboldtforum. Oder im Brückemuseum, wo die Werke deutscher Expressionisten gezeigt werden.
Es geht darum, die westeuropäische Kunst in einem kunsthistorischen Kontext zu sehen, der von gewohnter Lesart abweicht und den afrikanischen Ursprung der Kunstwerke und Bildsprachen herausarbeitet. Oder afrikanische Kunst mit Bedacht auszustellen.
Augenhöhe statt Tokenism
Das Problem dabei sei, so Schmidt, dass eine afrikanische oder rassismuskritische Expertise nur sehr selten gleich zu Beginn der Ausstellungsplanung herangezogen wird. „Sondern immer, wenn alles schon fest steht. So nach dem Motto: „Okay und jetzt dürft ihr noch mal draufgucken, ob sie auch wirklich an alles gedacht haben“. Da steht aber die Ausstellungskonzeption oft, die Texte sind geschrieben, die Szenografie ist geplant. Dass die Schwarze Expertise erst in diesem Moment herangezogen wird, zeuge von keinem ernsthaften Interesse: „In der Wissenschaft nennen wir das Tokenism. Das heißt, wenn bestimmte Personen angefragt werden, nur weil es angesagt ist. Aber es ist selten eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe. Sondern es geht darum, den Haken dranzumachen.“
Auch würden in der Kunstvermittlung nur wenige Schwarze Personen arbeiten, beklagt Tanja-Bianca Schmidt. Obwohl es solche Fachleute durchaus gibt. Aber während einer Führung können – bewusst oder ungewollt – rassistische Ressentiments auftauchen. Vor allem, wenn es um koloniales Erbe in der Kunst geht. Und damit muss das Museumspersonal umgehen können: „Personelle Vermittlung im Museum bedeutet auch, sich angreifbar zu machen für das Publikum. Sich dem Rassismus oder ja den Diskriminierungen des Publikums auszusetzen. Gerade dafür hat das Museum noch keine Räume geschaffen, um von Diskriminierung betroffenen Personen einen sicheren Raum zu bieten.“
Sichere Räume
Mit Räumen meint Tanja-Bianca Schmidt nicht ein Zimmer, wo nach einer Führung in Ruhe Kaffee getrunken wird, sondern sichere Handlungsräume für Schwarze Mitarbeitende: „Das ist einmal die Absprache, dass wir, wenn wir rassistisch beleidigt oder diskriminiert werden, im Notfall eine Führung abbrechen dürfen. Und die Person aus dem Museum entfernen dürfen, ohne dass wir hinterher den weißen Personen, die im Museum sich verantwortlich fühlen, das erklären müssen. Das sind Dinge des gegenseitigen Vertrauens, aber auch eine Sache des gegenseitigen Bestärkens. Es ist wichtig, dass Schwarze Personen die Reißleine ziehen dürfen und das nicht erklären müssen hinterher.“
Tanja-Bianca Schmidt wünscht sich auch, dass es endlich mehr Menschen in den musealen Strukturen gibt, die aus eigener Erfahrung wissen, wie es ist, nicht weiß zu sein: „Es gibt tatsächlich Momente, da denke ich so, wow, ja, wir sind irgendwie auf einem guten Weg. Und dann gibt’s so Momente wo ich denke, also woah, da ist noch so viel zu tun.“
Radiobeitrag, rbbKultur Radio, 06.002.2023