Heidentum, orthodoxe Kirche, Sowjetunion. Die Messe REMESLO zeigt die Wurzeln des russischen Designs.

 

Aus Russland gibt es in letzter Zeit kaum gute Nachrichten. Aber was passiert in der russischen Gesellschaft jenseits des Putin-Kultes? Eine kleine, privat organisierte Messe für russisches Design in Berlin will einen Überblick über das moderne Kunsthandwerk und Design von Gebrauchsgegenständen "made in Russia" bieten. Und vielleicht einen Einblick in die russische Gesellschaft.

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Seit Ende November hat Anastasia Schedrina bereits mehrere Verkaufsausstellungen von zeitgenössischem russischen Gebrauchsdesign organisiert. Eigentlich promoviert sie in Berlin zum Thema „Hinduismus und Wirtschaft“. Design ist ihr Hobby, und Anastasia kann ihre Neugierde nicht verbergen, während sie immer neue Sachen aus dem Karton hervorholt.

Anzugfliegen aus Holz, Glas-Mobiles, gestrickte Socken. Und natürlich! – Matrjoschkas – die ineinander verschachtelten Holzpuppen. International eines der Symbole Russlands. Die Matrjoschkas von der Remeslo-Messe haben mit den traditionellen Puppen nur die Form gemein.

Diese Matrjoschka ist ohne Gesicht aber mit bunten Streifen. Und das ist ein Symbol der Geschwindigkeit, heutiges Leben und gleichzeitig ein Symbol des Verlusts der Identität.“

 

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Die Messe Remeslo, was Handwerk bedeutet, ist aus ihrem Überdruss entstanden, kaum etwas Gutes über ihre Heimat in Berlin zu hören. Sie wollte dagegenhalten.

Wir sind kein politisches Projekt, aber wir denken, dass Politik sich irgendwann ändern wird. Trotz des abgekühlten Verhältnisses im Moment zwischen Russland und Deutschland ist es besonders wichtig für uns in diesem Bereich weiter zu arbeiten.“

Die Räume der privaten russischen Kunstschule in der Rigaer Straße sind noch leer und fühlen sich kalt an. Dann macht Anastasia Schedrina eine Lampe an – sie ist gemacht aus einem glatt polierten Stück Fallholz, das der Designer im Wald gefunden hat. Eine bernsteingelbe Plexiglas-Einlage, die quer in das Aststück eingelassen ist, verbreitet goldenes Licht. Daneben stellt Anastasia Schedrina eine Vase: eine Baumscheibe, mit runzeliger Rinde. Die Mitte ist durch grünliches Glas ersetzt. Schön sind die Arbeiten schon. Spektakulär neu – nun auch wieder nicht.

Alle Designer waren schon in Europa. Sie haben alles hier schon gesehen und erfahren. Und nun ist es Zeit, etwas eigenes zu entwickeln.“

Die russischen Kunsthandwerker und Designer sind auf der Suche nach ihren Wurzeln, erzählt Anastasia Schedrina. Eine schwierige Aufgabe. Im Gegensatz zum Design im Westen, das sich seit dem Beginn der maschinellen Produktion kontinuierlich weiterentwickelt hat, hatte Design in Russland nur zwei Höhepunkte – die 20-er Jahre, als Konstruktivisten mit schlichten Formen und klaren Farben eine neue, praktische Ausdruckssprache für den Alltag suchten. Und die 70-er Jahre. Damals, zu Zeiten der Sowjetunion, wurden in vielen Fabriken spezielle Abteilungen eingerichtet, in denen Ingenieure und Gestalter gemeinsam vor allem an der Entwicklung neuer Elektrogeräte für den Hausgebrauch arbeiteten. Ansonsten fristete Design in Russland ein Stiefkind-Dasein. Manch ein Theoretiker überlegt sogar heute noch, ob Design dem sogenannten „Russischen Geist“ nicht fremd wäre. Anastasia Schedrina betont, sie sei keine Designexpertin. Aber als leidenschaftliche Beobachterin hat sie drei Inspirationsquellen russischer Produktdesigner und Kunsthandwerker ausgemacht.

Slawisches Heidentum, dann orthodoxe Kirche und dann Sowjetunion-Zeiten. Und wenn wir über Sowjetunion-Touch sprechen, dann würde ich sagen, dass es immer Selbstironie hat. Ich würde sagen, dass Designer im Moment in Russland machen die Sachen, die ein bisschen an Europa erinnern, aber immer mit dieser russischen Touch.“

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Zum Beweis setzt Anastasia Schedrina sich einen Haarreif auf – bauchig-rund, aus dunkelrotem Filz und mit einer stilisierten Spitze in der Mitte. Eine gewitzte modische Hommage an den dreieckigen filigran dekorierten Kokoschnik, die traditionelle Kopfbedeckung russischer Zarentöchter.

Die Messe Remeslo findet statt am Sonntag, dem 7. Februar, in Friedrichshain, in der Rigaer Straße 58, in den Räumen der Russian Art School Gallery von 12 bis 20 Uhr.

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Radiobeitrag im Kulturradio vom RBB http://www.kulturradio.de/programm/sendungen/160206/kulturradio_am_mittag_1204.html