„Es gibt entweder den Schrecken oder die Schönheit. Nichts dazwischen“. Mia Florentine Weiß über ihre neue Ausstellung MEMENTO MORI

Es gibt entweder den Schrecken oder die Schönheit. Nichts dazwischen“, sagt die Performance-Künstlerin Mia Florentine Weiß und meint damit ihre Ausstellung MEMENTO MORI. Darin verbindet sie ihre ganz persönlichen Erfahrungen, ihren nackten Körper und ihre unruhigen Gedanken mit den Gegenständen, die den heutigen Alltag vielerorts bestimmen – Waffen, Stacheldraht, Gitter. Ein Besuch im Atelier der Extrem-Künstlerin.
 

Mia Florentine Weiß

Die Gebärmutter von Mia Florentine Weiß hat eine Anomalie. Sie ist nicht symmetrisch. Die Künstlerin zeigt auf ein Bild aus Neonleuchten, das in einer dunklen Ecke ihres Ateliers hängt. Aus der Ferne erinnert es an einen Stierschädel. Doch es ist ein Uterus. Ihr Uterus. Ur-Uterus, wie Mia Florentine Weiß das Werk nennt.

Das ist schon wichtig alles, dass es in irgendeiner Form eine Authentizität hat“, sagt Mia Florentine Weiß. Sie malt mit ihrem eigenen Blut, sie stellt ihre Plazenta aus, sie fotografiert sich mit ihrem Neugeborenen vor dem Hintergrund diverser konservierter Missbildungen in einer alten Apotheke: „Die Frage ist ja die, warum macht die das, warum ist die auf so vielen Bildern drauf, was soll das und die Antwort ist ja ganz einfach: Wer soll es sonst machen. Und in irgendeiner Weise glaub ich, ist der Körper auch eine sehr große Spielwiese, an der man sich auch abarbeiten kann.“

Auf den Innenseiten ihrer beiden Handgelenke hat sie auf englisch Liebe und Hass stehen. Eine Reminiszenz an ihr gleichnamiges Werk – eine Skulptur, ein Schriftzug in 3D, der sich je nach Blickwinkel entweder als Love oder Hate liest. „Das ist ein Branding mit einer weißen Tattoofarbe, und die Idee ist im Prinzip, wenn ich nicht mehr bin, dass man das dann rausschneiden kann. Ich kann mir das ganz schön vorstellen, wenn die beiden dann im Rahmen aufgespannt nebeneinander hängen.“

Sie ist nicht die erste mit der Idee. Mia Florentine Weiß stellt sich auch nicht die Aufgabe, neue Wege in der Kunst zu entdecken. Eher die wunden Punkte auszuloten. Die Aussagen von Mia Florentine Weiss sind oft provokativ und aufwühlend. Und immer in Balance zwischen Aktualität und Zeitlosigkeit. So wie ihr wohl berühmtestes Projekt Pegasus. Eine mit echter weißer Pferdehaut überzogene Dermoplastik, ein Schimmel mit 5 Meter breiten Gitter-Flügeln, in denen sich Fundstücke verfangen haben, von einer Puppe bis zu einer Pistole, die die Künstlerin auf ihren Reisen gesammelt hatte: „Die Haut war in meinem Kühlschrank., ich bin a la Beuyss in diese Haut hineingegangen, ich hab darin gelebt, ich habe erst mal überhaupt wissen müssen, wie fühlt sich diese Skulptur an, wenn ich sie zu Ende baue, diese Reise durch die Ägäis „Edges of Europe“ lange bevor das Thema Flüchtlinge in den Medien überhaupt erwähnt wurde, das ist ein kleiner Erfolg für mich, dass das am Ende in einer 500 Kilogramm schweren Plastik wahr wird, dass ich das schaffe.“

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Der Pegasus schwebt zurzeit über ihrem Atelier in Berlin. Seit ein paar Jahren wohnt und arbeitet Mia Florentine Weiß am Spreeufer. Davor war sie viel Jahre auf Achse – Kindheit in Würzburg. Mutter – Künstlerin, Vater – ein Volkswirt, der beruflich in Russland zu tun hatte. Ihre Jugend verbrachte Mia Florentine Weiß in Moskau. Dann – Weltreise, dann Los Angeles, Jobs als Kellnerin und Model. Der größte Coup: die Frau mit dem weißen Hut in der Rafaello-Werbung. Der Spot machte Mia Florentine Weiß schnell bekannt. Alles Mittel zum Zweck – sobald die Kunst anfing, Geld zu bringen, ließ sie das Modeln sein. Das sei ja auch viel spannender – Zeitgeistzeugnisse zu schaffen und Denkanstöße zu geben. Das will Mia Florentine Weiß auch mit der neuen Ausstellung MEMENTO MORI.

Memento mori ist ja „Gedenke des Todes“, so eine Anspielung auf den Vanitas-Begriff, den es in der Kunstgeschichte so 16. bis 17. Jahrhunderts gab und ich glaube, dass wir jetzt in der größtmöglichen Umbruchsituation leben, es ist auf einmal eine allgegenwärtige Angst, es ist eine Sterblichkeit vielerorts um mich herum, ich fühle mich ungeborgen, ich weiß nicht, was passieren wird, siehe Türkei, siehe Amerika, es gibt so viele Unbekannte und Unkonstante im Leben, dass das 2017 für eine Ausstellung für mich genau der Nukleus ist, von dem wir kommen.

Der Boden ihres Ateliers ist in Vorbereitung auf die Ausstellung mit schwarz-weißen Fotografien übersät, die Skelette in verschiedenen Posen zeigen. Vor den Fotos sind Objekte befestigt – ein Tanga aus Stacheldraht, eine Kalaschnikov, die farblich zum Bilderrahmen passt. Quer über die Objekte zieht sich die neongelbe Linie eines Herzschlags. Natürlich ist es der Herzschlag von Mia Florentine Weiß.

Zum Beitrag im Kulturradio vom RBB

Die Einzelausstellung von Mia Florentine Weiß MEMENTO MORI, präsentiert von Sotheby‘s, ist vom 30. März bis 6. Mai 2017 zu sehen

Dienstag – Freitag 12 bis 19 Uhr
Samstag 11 bis 16 Uhr
Montag geschlossen

Adresse
Galerie Friedmann-Hahn
Wielandstr. 14
10629 Berlin

 
MIA FLORENTINE WEIß