In jeder Familie gibt es Gerichte, die zu einer bestimmten Jahreszeit gekocht werden. rbbKultur Radio wollte wissen, was so alles in Berlin vor Weihnachten und zum Jahreswechsel gezaubert wird. Bei Rumia Aysitulina in Berlin-Moabit gibt es einen britischen Klassiker.
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Es ist eine dunkle, klebrige Masse, die Rumia Aysitulina da in einer großen Schüssel mit beherztem Schwung rührt. „Ich mische mal die Füllung für die kleinen Mince Pies … Riech mal… Hmm…“ Rumia hält mir den Löffel unter die Nase. Er riecht süß-würzig.
Rumia ist neben ihrem Hauptberuf als Übersetzerin eine begnadete Köchin mit einem Faible für die britische Küche. Das ist leicht zu erklären – sie ist mit einem Briten liiert. Ich bin also nicht verwundert, als sie mich zum Tee mit selbstgemachten Mince Pies einlädt. Die große Überraschung kommt, als ich erfahre, dass die kleinen gebackenen Pastetchen nicht herzhaft, sondern süß sein werden.
„Also, wenn es Mince Pies heißt, dann kann man denken, dass es aus Hackfleisch ist. So ist es nicht … Mince, das ist einfach so Kleingehacktes und kleingehackt sind in diesem Fall getrocknete Feigen, getrocknete Pflaume, getrocknete Aprikosen, ganz viele Rosinen und dazu noch ein paar getrocknete Cranberrys und ein paar Nüsse mit bisschen Cointreau und Orangenmarmelade und eine Birne, die sind alle so bisschen angerührt und dann lässt man die bisschen köcheln und dann kann man die mit dem Blender zerkleinern. Das macht man in ganz Großbritannien und das ist ein typisches weihnachtliches Ding. Die isst man dann mit Brandy Butter oder mit Brandy cream oder einfach so.„
Ob ich die Füllung mal naschen darf? Klar doch, nickt die Gastgeberin. Die Masse schmeckt säuerlich, nicht zu süß und sehr vollmundig. Rumia holt vom obersten Schrankregal eine bauchige Flasche herunter. Sie macht geheimnisvolles Gesicht und verrät theatralisch flüsternd: „Das ist ein walisischer Rum mit Seetang. Statt Brandy. Das ist eine totale Geheimzutat.„
Mindestens genauso wichtig wie die Füllung ist für die Mince Pies der Teig, sagt Rumia. Sie selbst, eine Tatarin, weicht dabei vom klassischen britischen Rezept ab und macht einen Teig, der in ihrer Familie beim Kochen traditioneller tatarischer Pasteten verwendet wird. „Wir lieben Pasteten und die Briten lieben auch Pasteten, also da kann man sich verständigen. Ich habe das Rezept für herzhafte tatarische Pasteten genommen, es mit Vanille und Zucker verfeinert und es funktioniert perfekt. Der Teig hält diese ein bisschen feuchte Masse gut drin, ohne selber irgendwie matschig zu werden. Den Teig kann man übrigens auch vegan machen, mit Wasser.“
Aus dem dünn gerollten Teig sticht Rumia Kreise aus und kleidet damit eine leicht gebutterte Muffinform aus. Dann mit Füllung fast bis zum Rand voll machen und obendrauf ein Teigdeckelchen legen. Schon können die Mince Pies in den Ofen: „Wir lassen sie mal drin für 15 Minuten und dann schauen wir wie es denen geht.„
Während wir warten, erzählt Rumia, wie sie dazu kam, Mince Pies selber zu backen. Das hat sie ihrem britischen Partner Jack zu verdanken. Und es ist eine richtige kleine Weihnachtsgeschichte. „Wer sich gar keine Mühe geben will, kauft die Mince Pies einfach. Und das habe ich dann immer so gemacht bis auf ein Jahr, da war unser Sohn Freddy noch ein Baby und ich konnte nicht nach Großbritannien fahren. Jack hat mir welche gekauft, dann aber war er irgendwie so hungrig und hat auf den verspäteten Flug gewartet und sie alle aufgegessen. So hatte ich keine und dachte ich, dann muss ich mal selber backen „
Darauf einen Schluck Tee! Inzwischen sind die Mince Pies auch schon fertig. „Sie müssen jetzt ein klein bisschen abkühlen„.“„, warnt mich Rumia, als ich nach einem greife. Noch zehn Minuten vergehen. Dann beißen wir in die Küchlein und Rumia nickt zufrieden: „Sind gut geworden und ich habe das Gefühl, dass ich bald wieder mehr machen muss.„
Gesendet im rbbKultur Radio am 06.12.2022