Vielseitiges Akkordeon: 10 Jahre Festival Pantonale

Menschen, die das Akkordeon schätzen oder selber spielen, erzählen gerne mal, dass es 1920 im Deutschen Reich mehr Akkordeon-Vereine als Fußballclubs gab. Diese Zeiten sind zwar vorbei, aber das Akkordeon hat es inzwischen in die renommiertesten Konzertsäle geschafft. Bestes Beispiel dafür – das Akkordeon-Festival Pantonale, das am 24. Juni 2024 in Berlin mit einer Gala im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie zu Ende ging.

Mit von der Partie waren gestandene Weltstars und junge Virtuosen wie Radu Ratoi. Er hat vor allem ein Faible für Liszt: „Ich habe neun Jahre lang Klavier gespielt, also kann ich vergleichen und sagen, dass man beim Akkordeon einfach die Pedale hinzunehmen muss. Man muss also immer darüber nachdenken, wie Liszt es für Akkordeon schreiben würde.

PANTONALE FESTIVAL 2024 – FRIEDENSTRAUM © Christoph Soeder

Radu Ratoi ist 25, kommt aus Moldawien und studiert zurzeit am Konservatorium in Kopenhagen. Im Herbst 2023 hat er als erster Akkordeonist überhaupt den renommierten Musikpreis der Societa Umanitaria in Mailand gewonnen. Ein internationaler Wettbewerb, bei dem alle Musikinstrumente gegeneinander antreten. Seitdem ist Radu Ratoi ein Shootingstar der Akkordeon-Szene. Bei der Abschlussgala des Festivals Pantonale in der Berliner Philharmonie ist er an der Uraufführung eines neuen Werks für Akkordeon und Orchester beteiligt. Für den jungen Musiker – das Allertollste.

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null komma prosit! Berauschend nüchtern.

Es ist nicht schlecht sauer, aber die Säure ist nur so vordergründig und danach kommt so ein prickelnder sanfter Geschmack.

– Man hat erst mal den sehr weichen Kombucha-Geschmack im Mund, sehr mild. Und dann, wenn der erste Schluck die Kehle heruntergelaufen ist, dann entfaltet sich dieses Aroma von Lavendel.

– Es ist wie ein sehr feiner, sehr edler Apfelessig und ich müsste, glaube ich, nicht mal Wasser dazu trinken.

Essig trinken? Was ist da los? Na, der Getränkemarkt Nullkomma Prosit in der Markthalle IX ist los. Ich habe für COSMO das eine oder andere Gläschen gekippt.

Zum Beispiel Feral, eine dunkle, erdig-rote Flüssigkeit. Als ob sie Blut ausschenken würden – mitten in Berlin. In Wirklichkeit ist Feral ein weinartiges Getränk auf Basis von Roter Bete – das schmeckt:“

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Spiel mir das Lied von Ennio Morricone: Das Vermächtnis des Komponisten wird neu entdeckt.

„Es war einmal in Amerika“, „Spiel mir das Lied vom Tod“, „Cinema Paradiso“ – diese und viele andere Filme sind nicht nur wegen der Schauspieler und spannender Geschichten weltbekannt, sondern auch für ihre Soundtracks. Ennio Morricone, der große italienische Meister der Filmmusik, hat für Sergio Leone, Bernardo Bertolucci und etliche andere Regisseure nicht nur Melodien geschaffen, sondern ihren Filmen ganz besondere Magie verliehen. Was weniger bekannt ist – Ennio Morricone hat sein Leben lang auch ernste klassische Musik komponiert, sogenannte absolute Musik. Morricone starb 2020. Seine Familie und die Stiftung wollen nun das Oevre des Komponisten der Welt zugänglich machen. Dabei soll die Berliner Firma Europäische FilmPhilharmonie helfen.

Morricone©Muth Media

Es begann mit Frust, erinnert sich Fernando Carmena. Frust darüber, dass es keine vernünftige Edition von Ennio Morricones Musik gab. Carmena ist künstlerischer Leiter der Berliner FilmPhilharmonie, die sich mit den konzertanten Aufführung berühmter Filmmusik beschäftigt. „Wenn wir etwas vorführen wollten aus den Filmen wie The Mission oder Cinema Paradiso, oder wenn uns Orchester nach offiziellem Notenmaterial fragten, konnten wir nur auf Arrangements verweisen. Sie waren zwar gut, aber sie klangen nicht nach Morricone.“

Die FilmPhilharmonie beginnt Partituren zu erarbeiten, auf Basis von möglichst originalgetreuen Transkriptionen. Das ist legal, dennoch bekommt Carmena Post vom Anwalt der Morricone-Familie: „Wir beschlossen, uns in New York zu treffen, um unsere Transkription auszuhändigen und dafür das Original zu bekommen. Aber dann wurde klar, dass wir die gleichen Ziele haben. Nämlich, die unbekannten Werke Morricones als Konzertmusik publik zu machen. Und wir waren uns einig, dass wir kein Kanon-Werk, keine Faksimile-Ausgabe veröffentlichen wollen, sondern ein facettenreiches Portrait des Komponisten, inklusive seiner absoluten Musik.“

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Mode und psychische Gesundheit: „Die perfekte Welt hat keinen Raum für Probleme“

Die Kampagne „Mental Health in Fashion“ will auf die psychischen Gefährdungen in der Modebranche aufmerksam machen. Laut dem Initiator Florian Müller wächst der Druck auf die Beteiligten. Doch die Branche achtet bislang zu wenig darauf. 

„Ich bin psychisch krank – und das hat viel mit der Modeindustrie zu tun.“ Das schrieb im Mai 2022 Alexandra Bondi de Antoni, ehemalige Redaktionsleiterin der Online-Ausgabe der Modezeitschrift „Vogue“, in einem offenen und langen Text über die Schattenseiten der Fashionwelt [vogue.de]. Eine Welt, die gerade in Berlin mit der Fashion Week für viel Glamour sorgt. Schöne Menschen in spektakulären Outfits über Catwalks, treffen sich an beeindruckenden Locations, präsentieren neue Looks und setzen Trends.

Bild: Jenny Richter und Florian Müller ©Vera Block

Wie es hinter den Kulissen aussieht, wissen nur die unmittelbar Beteiligten und Kenner der Branche, wie der Berliner PR-Manager und Dozent Florian Müller. Und weil er die Szene kennt, hat er letztes Jahr die Initiative Mental Health in Fashion ins Leben gerufen. Er will für das Thema der mentalen Gesundheit in der Mode sensibilisieren.

„Extremer Stress“

„Eine Fashion Week ist ein perfektes Beispiel für die Problematik, wenn wir über die mentale Gesundheit in der Mode nachdenken“, sagt Florian Müller. Die Tage sind mit Branchentreffs und Defilees gefüllt. Klingt zwar toll, bedeutet aber auch: ungesunde Ernährung, zu wenig Schlaf, extremer Stress. Da existiere überhaupt kein Rahmen, um sich mitteilen zu können, um Sichtbarkeit zu schaffen für mentale Erkrankung: „Wenn jemand während der Fashion Week anfangen würde, über seine mentale Gesundheit zu reden, würde wahrscheinlich das komplette Team durchdrehen. Jetzt kann man den Leuten eigentlich nur noch wünschen, dass sie das irgendwie einigermaßen unbeschadet durchstehen.“

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Mehr als Geräusche: Die CD „Sounds of Stabi“ setzt der Staatsbibliothek am Kulturforum ein akustisches Denkmal.

Im Wim Wenders´ Film „Himmel über Berlin“ laufen die beiden Engel Damiel und Cassiel durch den Lesesaal der Staatsbibliothek am Kulturforum. Sie gehen an Menschen vorbei, die in Regalen stöbern oder an Tischen lesen, nachdenken, schreiben. Untermalt wird die berühmte Szene durch ein Gemurmel. Es sind Zitate, Gedanken, Satzfetzen. So würde wahrscheinlich eine Bibliothek klingen, wenn sie denn könnte. In Wirklichkeit klingt die Staatsbibliothek nicht weniger spannend als im Film. Das beweist die CD „Sounds of Stabi“, die gestern in der Staatsbibliothek vorgestellt wurde.

 ©VeraBlock

Wer die Staatsbibliothek kennt, wird bei diesen Geräuschen sofort die Bilder sehen: Das Foyer: dunkel, hallig, verwinkelt. Tiefe, einst weiße Decke, von der hier und da schwungvoll gebogene Platten herunterhängen und helle Flecken auf die grau-braunen Bodenplatten werfen. Glasbausteinfenster schimmern bunt. Säulen, Ecken, Schränke, Schrägen, Treppen. Dahinter noch mehr Raum; er breitet sich aus, verschwindet im Schatten, kein Ende in Sicht.

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Opus Klassik 2023: Routinierte Begeisterung

Seit 2018 verleiht eine Jury aus Musiklabels, Veranstaltern, Verlagen und einflussreichen Personen der Klassikwelt den Opus Klassik. Es ist ein Branchentreff und eine opulente Gala in einem der schönsten Säle Berlins – im Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Anschließend kann man die Verleihung im ZDF anschauen. Gestern Abend war es wieder so weit. Klassik-Stars, Dankesreden, Applaus, roter Teppich.

Dirigentin Joana Mallwitz auf dem roten Teppich.  © VeraBlock

Gleich zu Beginn allerdings – eine Enttäuschung. Die hohe Treppe des Konzerthauses ist gesperrt. Das Gebäude ist von einem Baugerüst umzäunt. Der Platz davor wegen Umbau gesperrt. Keine imposante Kulisse für den roten Teppich also. Der ist innen in einem Nebenraum ausgerollt und könnte mit geschätzten zehn Metern Länge als der kürzeste rote Teppich der Welt in die Geschichte eingehen. Doch die Routinierin auf den roten Teppichen, Anne-Sophie Mutter, scheint diese Kleinigkeit nicht zu stören.

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Chinesisches Haus im Park Sanssouci und die Frage nach Aneignung fremder Kulturen. Eine Führung rund um das Häuschen geht der Vorstellung von der exotischen Fremde nach.

Der Park Sanssouci ist nicht nur ein beeindruckender Vorgarten für das gleichnamige Schloss. Das weitläufige Gelände beherbergt viele Architekturschätze – das Neue Palais, den Freundschaftstempel, die Friedenskirche im Marlygarten. Ein ganz besonders Schätzchen ist aber das Chinesische Haus am südöstlichen Rand des Parks. Für diesen Gartenpavillon soll Friedrich der Große höchstselbst die Skizzen angefertigt haben. Und das Gebäude zeigt, welche Vorstellungen von China damals in Europa herrschten. Heute wirken sie nämlich ziemlich skurril. Das kann man bei einer Führung erleben, die das pagodenartige Häuschen genau unter die Lupe nimmt.

„Wie sie sehen, es gibt hier Außenhallen und Kabinette, die sich abwechseln. Die Außenhallen werden durch Säulen, die aussehen wie Palmen gehalten, alles wird umfasst von einem zeltartigen Dach“, erzählt Verena Lührsen. Sie steht vor dem pagodenartigen hellgrünen Bau und erklärt, was ihn so besonders macht.

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Ein aufregender Workshop für KOK, den bundesweiten Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V.

Ich habe viel von den Teilnehmenden über ihre Bedürfnisse und Sorgen bei Kontakten mit Medien erfahren. Und hoffe, dass ich ihnen einige Tipps für die Begegnungen mit Journalist:innen vermitteln konnte. Hier das Feedback: „Aus der Schulungseinheit mit methodischen Übungen konnten die Teilnehmenden sowohl nützliches Wissen rund um Ansprüche journalistischer Arbeit als auch praktische Werkzeuge mitnehmen, um ihre eigenen Anliegen gut und klar transportieren zu können.“

Keine Angry-Black-Woman.

Was die Kunsthistorikerin Tanja-Bianca Schmidt sich von den deutschen Museen wünscht.

Tanja-Bianca Schmidt berät Berliner Museen in Sachen diskriminierungssensible Kunstvermittlung. Als Kulturmittlerin hat auch sie selbst einige schmerzhafte Erfahrungen gemacht. Von einem Vorfall während einer Ausstellungsrundgang kann die Kunstwissenschaftlerin bis heute nicht völlig ruhig erzählen.

Eine Person sagte: „Also ich finde jetzt gar nichts so schlimm daran, wenn Personen von anderen Kulturen ausgestellt werden“. Ich war wirklich fassungslos. Also sagte ich, ich bin eine Person mit Rassismuserfahrung und wollte ausführen, warum es nicht okay ist. Und da verdrehte diese Person die Augen. Dieser Vorfall liegt schon einige Zeit zurück. Tanja-Bianca Schmidt spricht damals während einer Führung über sogenannte Kolonialschauen. Wo schwarze Menschen dem europäischen Publikum als exotische Attraktion vorgeführt wurden.

Ich habe dann gesagt: „Stopp! Ich empfinde ihre Reaktion auf mich als rassistisch.“ Und dann deutet die Person an: „ah, jetzt kommt die Leier wieder“. Ich habe innerlich gekocht, und dann war es mir wichtig, die Ruhe zu bewahren, damit nicht dieser Angry-Black-Woman-Modus ansezt.

Die Kunsthistorikerin Tanja-Bianca Schmidt  © Tanja-Bianca Schmidt

An die eigene Kraft glauben

Ich treffe Tanja-Bianca Schmidt bei ihr zu Hause in Pankow. Hinter ihrem Schreibtisch ist eine Pinnwand angebracht. Allerlei Notizen, nette Familienfotos und Sinnsprüche, die sie darin bestärken sollen, an die eigene Kraft zu glauben, sich aber zu schonen. Denn das, was Tanja-Bianca Schmidt tut, zehrt an ihr. Seit einigen Jahren arbeitet sie unter anderem als freischaffende Kunstvermittlerin. Sie wird von Museen als Beraterin herangezogen, wenn es um rassismuskritische Aspekte von Ausstellungen geht. Etwa bei der neuen Schau des Ethnologischen Museums im Berliner Humboldtforum. Oder im Brückemuseum, wo die Werke deutscher Expressionisten gezeigt werden.

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Wer nimmt gleich Platz an den Tischen? Was für Fragen werden mir die Teilnehmenden stellen? Welche Übungen werden in dieser Gruppe beste Ergebnisse erzielen? Die letzten Minuten, bevor ein Workshop beginnt, sind die spannendsten!

Hier vor dem zweitägigen Interview-Training im Auftrag der Neuen deutschen Medienmacher:innen. Berlin, Februar 2023

Aus der Reihe FAMILIENREZEPTE im rbbKultur Radio: Britische Mince Pies

In jeder Familie gibt es Gerichte, die zu einer bestimmten Jahreszeit gekocht werden. rbbKultur Radio wollte wissen, was so alles in Berlin vor Weihnachten und zum Jahreswechsel gezaubert wird. Bei Rumia Aysitulina in Berlin-Moabit gibt es einen britischen Klassiker.

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Es ist eine dunkle, klebrige Masse, die Rumia Aysitulina da in einer großen Schüssel mit beherztem Schwung rührt. „Ich mische mal die Füllung für die kleinen Mince Pies … Riech mal… Hmm…“ Rumia hält mir den Löffel unter die Nase. Er riecht süß-würzig.

©Vera Block

Rumia ist neben ihrem Hauptberuf als Übersetzerin eine begnadete Köchin mit einem Faible für die britische Küche. Das ist leicht zu erklären – sie ist mit einem Briten liiert. Ich bin also nicht verwundert, als sie mich zum Tee mit selbstgemachten Mince Pies einlädt. Die große Überraschung kommt, als ich erfahre, dass die kleinen gebackenen Pastetchen nicht herzhaft, sondern süß sein werden.

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Aus der Reihe VOICE VERSA, Deutschlandfunk Kultur: Akzente bühnenreif. Wie es Schauspieler:innen mit Akzent an deutschen Theatern geht.

Einige Leute sind durch ihre Erfahrungen traumatisiert und entmutigt und trauen sich nicht mal, bei den öffentlichen Theatern zu bewerben, obwohl sie eine hervorragende Ausbildung genossen haben und eigentlich auch tatsächlich sehr begabte Schauspieler sind„, sagt die Berliner Dramaturgin und Theateraktivistin Monika Dobrowlanska.

Und die belgische Theatersatzspielerin Fania Sorel, Ensemblemitglied am Stadttheater Bremen meint: „Es ist ja eine harte Arbeit, aber ich mag den Akzent. Die Gesellschaft ist ja multikulturell und das muss sich auch spiegeln auf die Bühne und das macht es eben interessant.

©Vera Block

Zwei Stimmen aus meinem Podcast-Feature „Akzente bühnenreif. Wie es Schauspieler:innen mit Akzent an deutschen Theatern geht.“

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